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3. Struktur der Enzyklopädieartikel

Meine erste Frage lautete, ob die Begriffssysteme die Textstruktur beeinflussen und ob man sie in der Textstruktur sehen kann. Obgleich Enzyklopädieartikel auf den ersten Blick strukturell ähnlich aussehen, scheint es mir bei näherer Betrachtung Unterschiede zwischen ihnen je nach Art des behandelten Gegenstandes, des Enzyklopädietyps, des Umfangs der Enzyklopädie und dem Artikelschreiber zu geben. In einigen Artikeln ist eine sehr deutliche Einteilung in Teiltexten zu sehen, was oft z.B. in Überschriften, mit der Numerierung und Abschnittgliederung noch hervorgehoben gemacht wird. In anderen Fällen hat man vielleicht alle Aspekte des behandelten Themas in einer Textsequenz zusammengebunden.

Lothar Hoffmann, der Enzyklopädieartikel und ihre Makrostruktur untersucht hat, beantwortet schon teilweise meine Fragen, wenn er konstatiert (1988: 167): "die Makrostruktur des Fachtextes entspringt und entspricht in hohem Maße der Struktur des in ihm behandelten Gegenstandes, aus der sich eine Art 'innere Logik' ergibt, der sich letztlich auch die Absicht des Textverfassers unterzuordnen hat." Der Artikel, der ein "Erzeugnis der materiellen Produktion" behandelt, kann nach Hoffmann z.B. folgende hierarchische Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Teiltexten enthalten:


Abbildung 3. Ein Beispiel für hierarchische Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Teiltexten in Enzyklopädieartikeln (Hoffmann 1988: 166)

Auch in den Isotopiekettenuntersuchungen hat man feststellen können, daß ein Enzyklopädieartikel "stark auf eine Darstellung des durch das Stichwort repräsentierten Themas orientiert" ist, "was sich explizit durch einen großen Anteil der Isotopieelemente an der Textoberfläche äußert" (Wiegand 1987: 151). In meinem Material haben die meisten Artikel deutlich eine hierarchische Struktur wie oben angeführt, z.B.[4]:

Abbildung 4. Die Makrostruktur eines finnischen Enzyklopädieartikels (Spectrum B. 10, 1979: 585-588)

Abbildung 5. Die Makrostruktur eines deutschen Enzyklopädieartikels (dtv-Brockhaus Lexikon, B. 3, 1988: 78-80)

In den o.g. Hierarchien meiner Fallstudie waren die wichtigsten Konstituenten diejenigen, die Arten und Gattungen behandeln, da genau sie die Abstraktionssysteme beschreiben. Ihre Strukturen sind häufig sehr stark von den Begriffssystemen beeinflußt. Wenn Enzyklopädieartikel Allgemeinbegriffe beschreiben - also nicht Personen, Länder usw., die auch häufig in Enzyklopädien berücksichtigt werden - haben sie oft eine deduktive Struktur. Man fängt mit dem Begriff an, der durch das Stichwort repräsentiert ist; hinsichtlich der Merkmale wird man zwischen den verschiedenen Unterbegriffen unterscheiden und so weiter, oftmals bis zu ganz konkreten Beispielen. Solche Artikel können das Abstraktionssystem einfach in Listenform mit kurzen Begriffsbeschreibungen oder in systematischer Folge mit längeren Teiltexten darstellen.

Auch die anderen Begriffssysteme können diesen Texttyp beeinflussen, z.B. partitive Systeme und temporale Systeme (die aus zeitliche Beziehungen bestehen), wenn man die Teile eines Objekts beziehungsweise Phasen eines Prozesses beschreibt.

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